Bereits im Jahr 2009 wurde die Band Liveware gegründet, ich habe sie mittlerweile zwei Mal live erleben können. Das erste Mal war im Februar 2020. Da hatten sie schon ihr Debütalbum A Look Inside The Mirror (2012) und die EP Unity (2015) veröffentlicht und sind auch, bis auf Wechsel am Mikrofon, nach wie vor in der Gründungsbesetzung unterwegs. Mit ihrem neuen Sänger Thomas durfte ich sie dann bei ihrer Show Anfang dieses Monats in Dorsten erleben. Im Februar 2021 begannen die Arbeiten an diesem Album, und Liveware haben ja bereits mit den bereits veröffentlichten Singles Glorious Days, Golden Sky und Liar gezeigt, was man auf Golden Sky erwarten darf. Shouts, Screams oder gar Growls gibt’s hier nicht, sondern sehr feinen, durchaus auch mal progressiv daherkommenden A.O.R. bzw. Melodic Rock. Der geht bei mir zu jeder Jahreszeit, auch wenn mir zu solchen Songs spontan vor allem lange Autofahrten im Cabrio unter sommerlicher Sonne einfallen. Aber ich lasse mein Hirn auch gern von zu Hause aus auf Zeitreise zurück in die 80er gehen, als Bands wie Toto, Boston oder Dare die Welt mit ihren Songs verzaubert haben (und das teilweise immer noch tun). 🙂
Golden Sky kommt natürlich nicht mit dem Staub der 80er daher, sondern entführt die Hörerschaft auf eine Reise durch die vielseitigen Gefilde des A.O.R. und Melodic Rock. Mit den zehn sorgfältig komponierten Songs präsentiert dieses Werk eine beeindruckende Synthese aus technischer Versiertheit, großer Spielfreude und melodischer Anziehungskraft. Das zeigt sich gleich beim Opener Too Young To Die, ein Midtempo-Track, bei dem auf meinem Zettel tatsächlich nur eins steht: So geht A.O.R.! Im Midtempo bewegen sich die Jungs auf Golden Sky noch sehr oft. Sie setzen aber auch sehr gern und vor allem wohlüberlegt und geschickt, diverse Tempovariationen ein, so auch bei einem meiner Favoriten, dem rockigen You & I. Da fällt mir zum einen das immer mal wieder durchklingende, fast schon Boogie-Woogie-Klavierspiel von Lukas auf, zum anderen kann Thomas vor allem in den Uptempo-Parts mal ordentlich aus sich rausgehen. Ich denke nicht zum letzten Mal an Bobby Kimball, der wohl hauptsächlich als Frontmann von Toto bekannt ist. Ich mochte ihn zugegebenermaßen in seiner Rolle als Sänger bei Far Corporation fast noch lieber.
Zwei Songs auf Golden Sky knacken die Sechs-Minuten-Marke, einer davon ist Crazy World, der zweitlängste Track des Albums. Und nicht erst hier fällt auf, wie variabel das Keyboard eingesetzt wird. Mal taucht es in den Strophen auf, wie bei You & I, hier bereichert es den Chorus. Und auch beim längsten Song von Golden Sky, es ist der Titeltrack, der mit 8:40 Minuten Spielzeit aufwartet, kriegt es seinen Einsatz und darf den Song ganz allein einleiten.
Mit Press Pause brechen Liveware tatsächlich auch mal aus der A.O.R.-Schiene aus und wechseln in den Bluesrock. Der ist nun gar nicht meins, aber nicht nur das Solo in diesem Song ist einfach nur geil. Einfach nur geil ist auch das Intro von einem weiteren meiner Favoriten Your Voice. Das entwickelt allein mit Keyboard und Gesang schon große Strahlkraft, bevor die Jungs den Rock-Anteil deutlich nach oben schrauben, was sich auch in dem sehr krassen Solo zeigt. Das ist dann auch schon der vorletzte Track. Beim letzten Song kommt dem Keyboard dann fast so etwas wie die Hauptrolle zu. Bond Of Amity fällt in die Songkategorie, die bei mir nicht wirklich oft aufgerufen wird, nämlich Ballade. Aber schon mit dem wunderbaren Intro, das, wie schon Your Voice, nur von Keyboard und Gesang getragen wird, kriegen mich die Jungs. Langsam schleicht sich das große symphonische Orchester ein, und als ich schon fast nicht mehr damit rechne, steigt dann auch die Band ein. Was ein Songaufbau, was eine (Power)Ballade!!
Und dann sitze ich in der folgenden Stille einfach nur da und versuche meine Gedanken zu sortieren. Mein Zettel ist voll mit Notizen, und die Worte “klasse”, “geil” oder “großartig” habe ich fast schon inflationär verwendet. Dazu hat jeder aus diesem Sextett zu beigetragen. Sei es Thomas, der mit kraftvoller Ausdruckskraft und feinem Gespür für Nuancen jedem Lied eine mitreißende Lebendigkeit und eine authentische Ausdruckskraft verleiht. Seien es die Gitarristen, die so brillant zwischen melodischen Läufen, rockigen Riffs und sehr gediegenen Soli wechseln. Sei es Lukas, dessen Finger über die Tasten huschen, der die klangliche Bandbreite seiner Keyboards so wunderbar einbringt und damit den Songs eine bemerkenswerte Vielschichtigkeit verleiht. Und last but not least (nicht vergessen, ich bin Schlagzeugfan 😃) die solide Rhythmusfraktion, die das Fundament für die gesamte Klangarchitektur bildet und das Album mit einem stabilen und dynamischen Grundgerüst ausstattet. Hierdurch erhalten die Songs eine unerschütterliche Struktur und ein bemerkenswertes Maß an Durchschlagskraft. Insgesamt zeichnet sich Golden Sky durch seine erfrischende Abwechslung aus. Die teilweise progressiven Einschläge verleihen den Kompositionen eine ansprechende Vielschichtigkeit. Dadurch entsteht eine einzigartige Klanglandschaft, die immer wieder neue Facetten offenbart und keine Langeweile aufkommen lässt.
Da leider zu einem meiner Favoriten, You & I, das Video genau am Tag der Albumveröffentlichung erscheint, und das zu spät für dieses Review ist, gibt’s hier noch einmal das Video zur ersten Single Glorious Days.