Nachdem ich im Juni das große Vergnügen hatte, die Münsteraner Band The Late Night Call mit ihrem Song Not Okay kennenzulernen, hat es mich sehr gefreut, als jetzt auch die Reviewanfrage fürs komplette Album bei uns einging. Antidote erschien am 08.09. und kommt mit seinen neun Songs auf sehr kurzweilige 34 Minuten. An dem Album haben The Late Night Call zwei Jahre lang gearbeitet, es ist der Nachfolger von Mismatch mit seinen beiden EPs Detect (2020) und Repair (2021).
Zur Vorbereitung dieses Reviews habe ich auch mal die Gelegenheit genutzt, mir auf dem Spotify-Profil des Quintetts durchzulesen, was die fünf über sich selbst schreiben. Und auch, wenn die Genres, die sie da nennen, eigentlich überhaupt nicht zusammenzupassen scheinen, kriegen sie es tatsächlich hin, diese, und sogar noch einige andere, wohldosiert in ihre Songs einfließen zu lassen. Dabei verschieben sie auch gern mal den Fokus, so dass das Pendel mal mehr in Richtung Pop (People, We Don’t Take Flight, Dead Position), dann wieder in Richtung Alternative Rock (Easy, In Tears, Did You Know) oder auch zum Post Hardcore (Rain) hin ausschlägt. Bei all den tollen Melodien sollte man aber auch den Lyrics seine Aufmerksamkeit schenken. The Late Night Call erzählen hier nämlich über Begegnungen und Gegebenheiten, die viele sicherlich so oder so ähnlich auch schon erlebt haben. Dabei verteilen sie auch gern mal wohldosierte Spitzen, wie in zwei meiner Favoriten, People und Not Okay.
Nicht nur musikalisch ist der erste Song People einer meiner Favoriten, sondern der liefert für mich DAS Statement des Albums. Es gibt ja diese Menschen, die sich gern unangenehmer Aufgaben entledigen und die weiterreichen. Da muss man dann auch mal “nein” sagen: “… Every day people’re havin’ problems and expecting me to solve them, fix them – but I don’t and will not! …”. Musikalisch haben die fünf das in den meiner Meinung nach “poppigsten” Song verpackt, wobei man auf Antidote keinen Song findet, der mit “Pop” getaggt werden könnte. Überraschen können mich The Late Night Call dann gleich mit dem nächsten Track. Auch Rain gehört zu meinen Favoriten (ich habe insgesamt vier), und ein Grund dafür ist, dass der sehr Post Hardcore-lastige Song tatsächlich mit einem Breakdown aufwartet. Großartig ist auch der eindringliche Chorus (ich finde ja, das englische “haunting chorus” passt so viel besser). Und bevor die Frage aufkommt, was mein vierter Favorit ist, der kommt direkt als nächstes: Easy. Aber ganz so einfach, wie es der Songtitel aussagt, ist es nicht: “… It’s hard work for me, It’s not easy to please myself…”. Da muss Frederike gesangstechnisch aber mal richtig aus sich rausgehen, sehr geil!
Was ich auch bei den folgenden Songs trotz der sehr präsenten Synthesizer, die wie A… auf Eimer zu den Songs passen, und dem tollen, sehr variable Gesang von Frederike immer wieder auf meinem Zettel stehen habe, ist das Gitarrenspiel. Sei es ein schöner Melodielauf, sei es ein krasses Riff oder auch das Zusammenspiel mit Christopher am Bass: Sergej hat sein Instrument voll im Griff und kann mit einem facettenreichen Spiel punkten. Und als Schlagzeugfan muss ich natürlich auch Simon erwähnen, dessen präzises Spiel sogar im etwas breiigen Mix auf Spotify (was anderes hatte ich leider fürs Review nicht) meine Aufmerksamkeit kriegen kann. Der gibt nicht nur den Rhythmus vor, sondern hat tatsächlich ein sehr dynamisches Spiel, das die Songs ein ganzes Stück trägt.
Für alle Kurzentschlossenen, die sich das Ganze auch mal live geben möchten: morgen findet in Münster die Releaseshow für Antidote statt. Einlass ist um 18:00 Uhr, um 19:00 Uhr geht’s los. Neben The Late Night Call werden dann auch Oceanside und Spin My Fate auf der Bühne des Triptychon stehen. Die letztgenannten sind ja auch mit neuem Album am Start. Volume I: On A Verge Of No Return erschien am 06.05., und wurde von mir mit 8 von 10 Punkten bedacht. Hätte ich nicht schon bei einer anderen Show zugesagt, wäre ich sehr gern in Münster dabei.
Leider gibt es außer dem Album nichts, was man sich von dem Quartett anhören kann. Allerdings kommt "Smell Your Soul" mit 13 Tracks daher, die für eine Spielzeit von knapp 50 Minuten sorgen.