Überwiegend erhalten wir bei SYLB noch Anfragen von nordrhein-westfälischen Bands, aber jetzt kommt mit Arctic Fallout mal wieder eine Band aus einer ganz anderen Ecke Deutschlands. Aus Frankfurt (Oder) melden sich die Jungs und liefern uns eine umfangreiche Linksammlung. Auf den relevanten Online-Kanälen sind sie jedenfalls gut vertreten. Viel Worte um sich selbst machen sie aber nicht. Einerseits finde ich das bemerkenswert, denn die Musik ist ja doch das Wichtigste. Andererseits muss ich mir dann halt mehr Gedanken darüber machen, wie ich ein paar einleitende Sätze zusammenbekomme. Aber angeblich soll ja Gehirntraining jung halten, kommt mir also eigentlich entgegen. 😀
Auf der Bandcamp-Seite von Arctic Fallout finde ich dann aber doch ein paar Infos zum Album Lebenslang. Das wurde bereits im Februar 2021 zum ersten Mal veröffentlicht. Aber da die Jungs in der Zwischenzeit nicht nur fleißig an ihren Instrumenten geübt, sondern sich auch im Home Recording und der Produktion weitergebildet haben, haben sie sich die Songs noch einmal zur Brust genommen und einem Remix unterzogen. Das haben Steve und Nico im September 2022 getan. Getaggt ist das Ganze interessanterweise mit Death Metal, Metalcore, Ambient und Progressive.
Auf knapp 46 Minuten Spielzeit kommt Lebenslang, die ersten vier Minuten gehören dem Song Wir. Der klingt auf Spotify ziemlich blass, und auch die wav-Dateien, die mir die Jungs zur Verfügung gestellt haben, kommt bei Wir nicht wirklich mit Wumms daher. So stelle ich mir aber tatsächlich eher den Klang von Demoaufnahmen vor. Musikalisch würde ich den Downtempo-Song noch am ehesten als Progressive Metalcore taggen, denn es gibt neben so etwas wie einem Breakdown auch einige Tempowechsel und ein ruhiges Interlude. Klanglich wird’s auch bei Melancholie nicht viel besser, aber mit seinem Hardcore-Touch kann der Track bei mir tatsächlich punkten. Auch die Clean Vocals sind gut hörbar und stehen in coolem Kontrast zu dem rauen, Shout-artigen Gesang, mit dem sich Basti durch die Songs ackert.
Beim folgenden Alles lebt verschwinden die Clean Vocals leider ein wenig im Mix, und die Ohoho-Chöre gehen mir zugegebenermaßen fürchterlich auf den Geist. Ohne die wäre das ein sehr cooler Progressive Metalcore-Track. Mit dem Uptempo-Track Dämonen pflanzen Arctic Fallout mir dann ein Riff ins Hirn, das da wohl so schnell nicht rauskommt. Wer hier im Chorus die Clean Vocals raushaut, weiß ich nicht, aber wenn das live genauso gut funktioniert, haben die Jungs schon mal einen Teil der Miete eingefahren. Und auch, was die Texte betrifft, sind sie gut aufgestellt. Nicht weltfremd, sondern voll aus dem Leben berichten sie, und ich habe so einige Male gedacht “jau, kennste!”.
Fünf Tracks überschreiten die Fünf-Minuten-Marke, Smaragd ist einer davon. Und damit können mich Arctic Fallout überraschen, denn das ist eine (Power) Ballade. Dazu passt der Gesangsstil von Basti meiner Meinung nach aber überhaupt nicht. Mit einem schönen Gitarrenlauf wartet dann Lauf auf, das Downtempo-Intro führt ein wenig in die Irre, das ist nicht noch eine Ballade, sondern ziemlich cooler Metalcore mit einem sehr gediegenen Gitarrensolo und einem sehr geilen Breakdown. Wenn nur dieser grottenschlechte Klang nicht wäre, was könnten die Songs einen Wumms raushauen! Auch mit dem folgenden Regen können Arctic Fallout bei mir punkten. Der längste Track des Albums ist nämlich ein großartiges Instrumental, bei dem ich auch den Gesang überhaupt nicht vermisse, weil Arctic Fallout wissen, wie man den Spannungsbogen straff hält. Abgesang klingt beim ersten Hören ziemlich chaotisch, andererseits zeigen die Jungs mit diesem sehr Progressive gehaltenen Track ihr Potential im Songwriting. Da kommt dann tatsächlich auch zum ersten Mal ein Hauch von Death Metal zum Vorschein.
Und dann kommt mit Tausend Feinde deiner Seele schon der vorletzte Track. Vom musikalischen her großartig, und der Text geht tief unter die Haut. Der Klang verbessert sich aber auch hier leider nicht. Sehr schade. Den Titeltrack Lebenslang haben die Jungs ans Ende des Albums gesetzt und zeigen sich hier ein letztes Mal sehr progressiv. Sehr cool der teilweise dialogartig aufgebaute Gesang, und wo die Jungs schon die Lebenserfahrung für solch’ einen tiefsinnigen Text hernehmen, würde mich tatsächlich mal interessieren.
Leider gibt es außer dem Album nichts, was man sich von dem Quartett anhören kann. Allerdings kommt "Smell Your Soul" mit 13 Tracks daher, die für eine Spielzeit von knapp 50 Minuten sorgen.