Als ich den Bandnamen Seinaru Sekai zum ersten Mal las, fielen mir sofort sämtliche Visual Kei-Bands ein, die ich schon gehört oder live erlebt habe. Aber damit haben die Mitglieder dieser bayrischen Modern Melodic Death Metal-Band augenscheinlich gar nichts am Hut. Gegründet wurde Seinaru Sekai tatsächlich erst im vergangenen Jahr. Die Jungs haben aber definitiv einen fundierten musikalischen Background, waren bzw. sind sie doch in Bands wie Carnage Calligraphy, Grand Old Wrath oder Darkest Horizon aktiv. Und während sie als Seinaru Sekai noch nicht wirklich viele Shows gespielt haben, genauer gesagt erst eine, durfte Carnage Calligraphy ja schon beim With Full Force, den Metaldays in Slowenien oder den Winter Days Of Metal auf die Bühne.
Wie sie selbst erklären, wollen sie in ihren Songs den Stil des 2000er Swedish Melodic Death Metal à la In Flames, Dark Tranquillity oder Soilwork mit modernen Einflüssen kombinieren. Ob sie das hinbekommen oder doch eher in den 2000ern hängenbleiben, konnte man schon beim Hören ihrer bereits veröffentlichten vier Songs entscheiden. Um die Playlisten noch ein wenig zu füllen, erscheint am 09.09. das Debütalbum Fragile Little World, das mit insgesamt 10 Tracks + Intro auf eine Spielzeit von ungefähr 43 Minuten kommt.
Ich bin zugegebenermaßen schon seit langem nicht mehr diejenige, die Alben mit voller Aufmerksamkeit von Anfang bis Ende durchhört. Das mache ich nur noch, wenn ich das Album nach dem Kauf zum ersten Mal höre oder Reviews schreibe. Ansonsten picke ich mir meine Favoriten raus. Davon gibt’s auf Fragile Little World einige, aber insgesamt ist das Album für mich tatsächlich ziemlich “anstrengend”. Die Jungs spielen nämlich eher Progressive Death als Melodic Death, d. h. kommen mit sehr vielen Tempo- und Rhythmuswechseln um die Ecke. Da schwenkt mein Hirn schon nach dem dritten Song zaghaft die weiße Fahne. Aber es warten noch sieben Songs darauf, aus den Boxen geprügelt zu werden.
Das alles ahne ich noch nicht, als ich dem sehr ruhigen Intro lausche. Aber schon von den ersten Klängen von In Fear an wird klar, dass Fragile Little World keine Kompromisse eingeht. Die Gitarren weben ein komplexes Geflecht aus Riffs, Licks und Soli, das die technische Finesse der Musiker deutlich unterstreicht. Die Gitarrenarbeit (großartige Twin-Guitars!!) ist sowohl kraftvoll als auch nuanciert, was dem Album seine ganz eigene Klanglandschaft verleiht. Die Präzision der Blastbeats und Doublebass-Attacken verleiht dem rhythmischen Fundament eine wuchtige Tiefe. Und last but not least die Growls und Screams von Stephan, die den Songs die nötige Aggressivität verleihen und perfekt zur Atmosphäre des Albums passen. Seinaru Sekai beweisen auf Fragile Little World auch ihre Fähigkeit, durch komplexe musikalische Strukturen zu navigieren, während sie dennoch den puren Geist des Death Metal bewahren. Die Band zeigt ihre technische Versiertheit und ihr Gespür für atmosphärische Dichte, ohne dabei die rohe Energie des Genres zu vernachlässigen.
Meine Favoriten finden sich dann zum Ende des Albums hin (Nightmare, Did I und Sun, das wieder mit großartigen Twin Guitars aufwartet, und das ich noch am ehesten im MDM einordnen würde). Hier als Outro dann das ruhige Intro aufzunehmen und damit den Kreis zu schließen, hat eine gewisse Finesse. Aber jetzt muss ich erstmal wieder mein Hirn neu ausrichten. 😀
Leider gibt es außer dem Album nichts, was man sich von dem Quartett anhören kann. Allerdings kommt "Smell Your Soul" mit 13 Tracks daher, die für eine Spielzeit von knapp 50 Minuten sorgen.