Ihr werdet euch wahrscheinlich wundern, dass ich über eine Veranstaltung aus dem S-Clubraumcontest der Sparkasse Vest-Recklinghausen einen Bericht schreibe. Das hat aber einen ganz einfachen Grund: heute stehen auch Chasing Dreams auf der Bühne im JOEs, und die konnten mich mit ihrer Debüt-EP How It Was Supposed To Be schon mal überzeugen. Und als ich dann las, dass die vier heute dabei sind, stand mein Entschluss ziemlich schnell fest. Dass sich ihr Gitarrist Mauritz vor der Show auch noch die Zeit für ein ziemlich langes Gespräch im Backstagebereich nimmt, ist eins dieser kleinen Highlights, die es halt nur bei Undergroundshows gibt.
Los geht es heute aber mit Walking In Circles. Die sind so kurzfristig in das heutige Line-Up gerutscht, dass sie auf dem Veranstaltungsplakat nicht genannt sind. Auch die Stimmzettel müssen noch “nachbearbeitet” werden, da hatte das Team wohl ordentlich zu tun, das alles noch handschriftlich nachzutragen. Zumindest haben sie verständlicherweise den Bandnamen auf WIC abgekürzt. 😀 Zu WIC habe ich im Internet auch nach ziemlich langer Suche nichts gefunden, so kann ich tatsächlich nur etwas zu ihrem Auftritt schreiben. Die fünf bringen Coversongs auf die Bühne, bei denen sie aber oft nicht am Original bleiben, sondern den Tracks ihren eigenen Stempel aufdrücken. Da fällt es mir dann tatsächlich oft schwer, noch das Original rauszuhören. 😀 Sehr lustig ist, dass ich auf mein Bekenntnis, dass ich von Walking In Circles noch nie etwas gehört habe, oft als Antwort kriege “die haben ein Saxophon dabei”. Davon, dass sie eine tolle Sängerin in ihren Reihen haben, kann ich mich dann selbst überzeugen, und das Saxophon fügt sich gut in den Gesamtsound ein. Mit Ain’t No Sunshine (im Original von Bill Withers) kann ich eher weniger anfangen, und ausgerechnet das großartige Seven Nation Army (The White Stripes) in eine Reggaeversion zu packen, ist auch Geschmackssache. Begeistern können mit Walking In Circles aber mit The Chain (Fleetwood Mac), bei dem sie sehr nahe am Original bleiben.
Auch von Kaiser Franz hatte ich vorher noch nie etwas gehört. Der kommt heute mit einer besonderen Show, denn seine Hofkapelle hat er zu Hause gelassen und stattdessen einen langjährigen Freund mitgebracht, der das Akustikset auf der Gitarre begleitet. Mein erster Eindruck hat mich tatsächlich mächtig getrogen, denn Kaiser Franz hat eine unfassbare Bühnenpräsenz. Mit seinen Texten beschreibt er in wohlgeschliffenen Sätzen die kleinen Geschichten des Alltags und singt vom Ende einer Beziehung genauso, wie “von dieser einen Person, die einfach nur ein A…loch ist”. Mitsingen dürfen wir auch, was mit Mund-Nase-Schutz nicht leicht ist, aber der Aura von Kaiser Franz kann man sich nicht entziehen. Dass er heute mit seinem ruhigen Programm so etwas wie “Balsam für die Ohren” ist, wie er es beschreibt, trifft den Nagel auf den Kopf. Für seine Bitte, nicht nur zu den Shows der Großen zu gehen, sondern auch an die kleinen Künstler zu denken, die direkt in der Nachbarschaft wohnen, kriegt er von mir natürlich besonders lauten Applaus. Zum Abschluss hat er dann noch eine besondere Ansage: am Finale des S-Clubraumcontest könnte er nicht teilnehmen, weil er da eine andere Show in Iserlohn spielt. Darum möge man doch bitte heute nicht für ihn, sondern für eine der anderen drei Bands abstimmen. Was ein Typ!
Dann kommt die Band, wegen der ich heute hier bin. Wie mir Mauritz vor der Show erzählt hat, ist es der erste Auftritt für Chasing Dreams in dieser Besetzung. Aber da gestern bei der Generalprobe so ziemlich alles schiefgelaufen ist, was so schieflaufen kann, nehmen wir das mal als gutes Omen. 😀 Und die Prophezeiung erfüllt sich, Chasing Dreams liefern ab. Vorher noch zügig ein paar Utensilien vorn an den Bühnenrand gestellt, so verbreitet dann auf der linken Seite eine kleine Stehleuchte ihr Licht. Die Kerzen auf der rechten Seite werden allerdings nicht entzündet. Das, was ich Kim schon in unseren News zur Debütsingle Endless Pain attestiert hatte, beweist sie heute auch live. Mit ihrer tollen Stimme meistert sie problemlos alle Tonlagen und bringt mit ihrem Gesang die Gefühle rüber, mit denen sich die Songs von How It Was Supposed To Be beschäftigen. Da halten sich dann Mauritz (Gitarre) und Markus (Bassgitarre) wohlweislich zurück, und mit einer Frontfrau wie Kim können sie das auch beruhigt tun. Als ich mich später auf den Heimweg machen will, stehen die vier sehr entspannt draußen vor der Tür. Gewonnen haben sie den Contest heute zwar nicht, aber die Erfahrung des ersten Auftritts in “neuer” Konstellation ist unbezahlbar. Weitere Shows sind schon in der Planung, und ich freue mich sehr darauf, sie spätestens beim Red Balloon Festival im August in Dorsten wiederzusehen.
Zu vorgerückter Stunde kommen dann die Jungs von Bajun auf die Bühne. Vor der Bühne haben sich ihre Fans aufgebaut, deren Alter von ungefähr 6 bis Mitte/Ende 50 reichen mag. Auch über Bajun habe ich im Netz nur sehr wenig gefunden, präsent sind Bajun aktuell nämlich anscheinend nur auf Instagram. Insbesondere die beiden Gitarristen mit ihrem ausgeprägten Bewegungsdrang erringen immer wieder meine Aufmerksamkeit, während sich der Bassist wohlweislich still im Hintergrund hält und scheinbar sehr gelassen die dicken Saiten bearbeitet. Auch Schlagzeuger Moritz hat anscheinend vor der Show sehr viel Kaffee getrunken, er schafft es nämlich tatsächlich, so hart auf die Becken einzudreschen, dass einer der Ständer nachgibt und vom Podest fällt. 😀 Nicht zu vernachlässigen ist der tolle Gesang von Anton. Der zeigt sich nicht nur bei den kraftvollen Alternative Rock-Songs. Die Jungs von Bajun haben auch eine Ballade dabei, bei der der Gesang von Anton nur von einer akustischen Gitarre begleitet wird. Balladen sind ja bekanntermaßen eher nicht meins, aber auch damit kriegen Bajun mich heute. Mit meiner Meinung bin ich wohl heute bei der Mehrheit, denn Bajun gewinnen den heutigen Contest und sind damit ins Finale eingezogen. Das findet am 01.05. in Recklinghausen statt.
Wäre das heute nicht eine Veranstaltung im Rahmen des S-Clubraumcontest gewesen, die von der Sparkasse Vest-Recklinghausen mal wieder top organisiert war, hätte es auch eine der Undergroundshows gewesen sein können, deren Besuch sich immer wieder lohnt. Da kann ich mich dann nur Kaiser Franz anschließen. Ich höre immer wieder die Aussage “schade, dass keine Shows stattfinden”, aber das ist falsch. Zumindest hier im Ruhrpott und den angrenzenden Regionen ist immer irgendwo was los, und so habe ich an manchen Freitagen und Samstagen tatsächlich mehrere Shows in meinem Kalender stehen. Also, einfach mal hingehen! 🙂
Die kompletten Fotostrecken gibt’s wie immer auf https://heike-leppkes-konzertfotos.de
Eventname:
S-Clubraumcontest
Künstler:
Walking In Circles, Kaiser Franz, Chasing Dreams, Bajun
Ort:
JOE e.V., Oer-Erkenschwick
Datum:
02.04.2022
Genre:
Alternative Rock, Post Hardcore, Reggae, Akustik, Singer/Songwriter
Veranstalter:
Sparkasse Vest-Recklinghausen
