Als ich im Pressetext von Black Sunset / MDD Records las, dass Nocturnis aus dem Schwarzwald kommen, musste ich sofort an die ebenfalls aus dieser Gegend stammende Band Imperium Dekadenz denken, die zwar nicht im Black Metal aber zumindest auch im Extreme Metal unterwegs sind, und deren 2016er Album Dis Manibvs ich nach wie vor als Meisterwerk betrachte. Die Nachbarn haben allerdings wesentlich mehr Jahre auf dem Buckel, denn Nocturnis gibt es erst seit dem Jahr 2019. Nocturnis wiederum sind fleißiger, was Releases angeht, denn nach der im Jahr 2020 in Eigenregie veröffentlichten Debüt-EP Aporia kommen sie bereits jetzt mit ihrem Debütalbum Unsegen um die Ecke. Das wurde am 28.10. via Black Sunset / MDD Records veröffentlicht und kommt mit den sechs Tracks auf ungefähr 38 Minuten Spielzeit.
Haben Nocturnis auf Aporia noch in englischer Sprache gesungen, sind sie auf Unsegen in die deutsche Sprache gewechselt. Sie erzählen in den Songs auf diesem Konzeptalbum die Geschichte eines jungen Soldaten, den die im 1. Weltkrieg erlebten Gräueltaten so verzweifeln lassen, dass er schlussendlich den inneren Kampf gegen sein eigenes Gewissen verliert. Dazu passend haben Nocturnis auch das Coverartwork ausgewählt. Es handelt sich um das von Gilbert Rogers im Jahr 1919 erschaffene Gemälde The Dead Stretcher-Bearer.
Schon im Jahr 1928 hat Erich Maria Remarque mit seinem Roman Im Westen nichts Neues die Schrecken des 1. Weltkrieges in Worte gefasst. Der Roman wurde von Lewis Milestone bereits im Jahr 1930 zum ersten Mal verfilmt. Und in der Schnittstelle zwischen dem geschriebenen Wort Remarques und der Verfilmung von Milestone könnte man dieses Album ansiedeln. Die Sprache ist natürlich wesentlich moderner als die von Remarque, und Black Metal war vor ungefähr 90 (!!) Jahren natürlich auch kein Thema. Aber Nocturnis eröffnen mit diesem Album das Kopfkino und lassen in den ersten vier Tracks des Albums die Geschehnisse auf dem Schlachtfeld lebendig werden. Rasender Black Metal berichtet von Trommelfeuer, Gasangriffen und Schützengräben, in denen die Soldaten die Schreie ihrer sterbenden Kameraden hören müssen. Und die ruhigeren Interludes könnte man dabei fast als Feuerpause deuten, in denen die Soldaten aber nicht wirklich zur Ruhe kamen. Dabei frage ich mich vor allem, wie Christian es geschafft hat, die Blastbeats und Double Base-Attacken so konstant durchzuziehen. Von den Gitarren gibt es nicht nur das für Black Metal ja fast schon übliche Shredding zu hören, sondern auch immer mal wieder schöne melodische Läufe, die in Anbetracht der Handlung fast schon grotesk wirken könnten. Rein musikalisch gesehen liebe ich es, wenn Black Metal-Bands das in ihre Songs einbringen.
Wie es der Songtitel schon verrät, empfindet der Protagonist in Reue eben genau dieses Gefühl. Der Hölle des Krieges entkommen, findet er nicht mehr ins Leben zurück. So macht auch die wütende Black Metal-Raserei einem überwiegend im Midtempo gehaltenen Rückblick Platz, in der der Protagonist verzweifelt. “Kann nicht mehr denken, nicht mehr fühlen. Eine innere Leere bleibt zurück. Vater, vergib mir meine Sünden”. Das darauffolgende Gitarrensolo ist die musikalische Umsetzung dieser Gedanken. Überraschenderweise, für mich zumindest, halten Nocturnis den letzten Track Zerrissenheit als Instrumental. Andererseits sind alle Worte gesagt, und der inneren Leere wird mit diesem ebenfalls überwiegend im Midtempo gehaltenen, sehr progressiv daherkommenden Song musikalisch perfekt Ausdruck verliehen.
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