Autor:
Lesedauer ca. 4 min.

Dante – Winter

Künstler:

Dante

Herkunft:

München, Deutschland

Bandmitglieder:

Alexander Göhs (Gesang)
Julian Kellner (Gitarre)
Jim Magnusson (Bassgitarre)
Markus Maichel (Keyboard)
Christian Eichlinger (Schlagzeug)

Link:

Album:

Winter

Genre:

Progressive Metal

Erscheinungsdatum:

Tracklist:

1. Holocene
2. A Cold Man´s Winter
3. Lazarus Leaving
4. In Vertigo
5. The Tear That Shouldn´t Be
6. Darker With The Day
7. Your God In Vain
8. C.S.T.M.

Ich folge auf Facebook wahrscheinlich zu vielen Seiten, als dass alle Posts in meinem Newsfeed landen. So ist mir auch komplett entgangen, dass die Männer von Dante mit einem neuen Album in den Startlöchern stehen. Da stehen sie aber nicht erst seit kurzem, sondern tatsächlich schon seit Anfang letzten Jahres. Die Arbeiten an Winter starteten mit dem Songwriting bereits im Jahr 2018, die finalen Arbeiten gingen Ende 2020/Anfang 2021 über die Bühne. Seitdem wurde das Release verschoben. Nach dem ersten Hören der acht Songs kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, wie es den Männern gehen muss, diese großartigen Werke schon so lange fertig eingespielt zu haben, aber nicht der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Ein Releasedatum steht auch nach wie vor noch nicht fest.

Winter ist das fünfte Studioalbum in der Diskografie von Dante. Das Debütalbum The Inner Circle – nein, nicht das gleichnamige von Evergrey – erschien im Jahr 2007, und damit bereits ein Jahr nach der Bandgründung. Es folgten im Drei-Jahres-Takt die Alben Saturnine (2010), November Red (2013) und When We Were Beautiful (2016). Im Jahr 2017 veröffentlichte Dante mit Where Live Was Beautiful – Live In Katowice noch ein Live-Album und konnte sich immer wieder mit großartigen Bands die Bühnen teilen. So durfte ich sie unter anderem im Juni 2016 live erleben, als sie für die 1. GAOM Labelnight ins Zentrum Altenberg nach Oberhausen gekommen waren.

Da ich mittlerweile natürlich weiß, dass Dante-Alben nach ungeteilter Aufmerksamkeit verlangen, bereite ich mich dementsprechend vor und mache es mir gemütlich. Draußen wird es schon langsam dunkel, als ich die Kopfhörer aufsetze und die Play-Taste drücke…

Für ein Intro eigentlich zu lang, aber wenn man die knapp 3 Minuten auf Dante-Maßstäbe umgelegt, ist das Instrumental Holocene wohl eins. Ganz zu Beginn klingt es, als wenn die Nadel des Tonabnehmers sich langsam auf das Vinyl gesenkt hat, das zuvor behutsam auf den Plattenteller gelegt wurde. Es knistert und rauscht ein wenig, bevor sich die Instrumente langsam ihren Weg bahnen. Da stellt sich mir gleich die Frage “sind das E-Drums oder Soundsamples?”. Egal, weiter geht’s. Sehr coole Riffs und ein schönes Keyboardspiel, das manchmal auch ins symphonische abdriftet. Da stehen dann nur die drei Worte “sehr geiles Instrumental” auf meinem Zettel.

Das Instrumental geht dann nahtlos über in A Cold Man’s Winter. Woah, so schnell kann ich gar nicht mitschreiben, was hier abgeht! Sehr geiler Uptempo-Song mit Alex, der mit Gesangsstilen um die Ecke kommt, die ich nun gar nicht erwartet hatte. Da darf dann tatsächlich in den Strophen auch mal geshoutet und gegrowlt werden, als wären wir hier bei einer Melodic Death Metal-Band. Aber nein, es ist tatsächlich Dante, die auch mit diesem Song beweisen, dass sie definitiv zur Speerspitze der deutschen Progressive Metal-Szene gehören. Irgendwann versuche ich gar nicht mehr mitzuschreiben, was Dante da alles an progressiven Finessen auffahren. Jeder ist mal dran, seine Kunst zu präsentieren, seien es ekstatische Keyboard-Passagen oder Gitarreneinlagen wie von John Petrucci himself. Die sonst von mir oft als “Rhythmusfraktion” bezeichneten Bass- und Schlagzeugspieler sind bei Dante natürlich viel mehr und tauchen ebenfalls ein in diesen alles mitreißenden Strudel aus Tempo- und Rhythmuswechseln, der sich in schwindelerregende Höhen schraubt. Einziger Ankerpunkt ist tatsächlich der Chorus, der in diesem abgedrehten Spiel so etwas wie einen Ruhepol setzt.

So viel, wie ich jetzt allein zum ersten Song geschrieben habe, könnte ich im Grunde zu jedem Track zu Papier bringen, aber das würde niemand lesen wollen. 😀 Also versuche ich mal, mich auf das Herausstechende zu beschränken, wobei das spielerische Level ja sowieso bei allen Songs so hoch liegt, wie bei A Cold Man’s Winter. Auch Lazarus Leaving kommt im Uptempo daher, ist aber ein wenig düsterer, und die sehr coolen Riffs können tatsächlich entfernt an 70er Bands wie Black Sabbath oder Led Zeppelin erinnern. In Vertigo ist in Teilen sehr relaxt, kommt aber immer wieder mit Tempoverschärfungen und Progressive-Einlagen um die Ecke. Sehr krass wird es in den Strophen von The Tear That Shouldn’t Be, wo der Gesang von Alex einem anderen Rhythmus folgt, als die Instrumente. Der überwiegend im Midtempo gehaltene Song beschleunigt nur im Pre-Chorus, um sich danach wieder zurückfallen zu lassen. Dann kommt auch schon mein zweiter Favorit des Albums, nämlich der wieder im Uptempo gehaltene Darker With The Day. Da habe ich dann tatsächlich auf meinem Zettel stehen “fast schon zugänglich”. Aber eben nur fast. 😀

Mit einer Mädchenstimme startet Your God In Vain. Allein ihre Frage “Why do you seem so scared? All I wanted to do is play with you” lässt vor meinem geistigen Auge Horrorfilme à la Shining oder Es hochsteigen. Dazu passt dann auch der Einstieg von Alex “Welcome! Now the nightmare is rising…”. Aber obwohl das genau mein Genre ist, fällt es mir bei diesem Song etwas schwerer, dranzubleiben. Mag auch an dem progressiven Soundgewitter liegen, das jetzt schon seit ungefähr 35 Minuten auf mich einprasselt. Oder ich rüste mich geistig bereits für den letzten Song. Dazu hatten Dante schon einen Visualizer veröffentlicht, und mit C.S.T.M. haben sie als erste Single tatsächlich den längsten Song des Albums ausgewählt. Der fasst aber wirklich in den ungefähr 12 Minuten perfekt zusammen, was sich in der knappen Stunde auf Winter ereignet. Ich hatte es schon in den News zum Song erwähnt, hier kann ich eigentlich nicht anders, als an einen Hybrid aus Dream Theater und Appearance Of Nothing zu denken. Genau wie bei den Letztgenannten gibt’s auch hier wieder Shouts auf die Ohren, womit Dante dann auch irgendwie an den Beginn des Albums zurückkehren und den Faden von A Cold Man’s Winter aufnehmen. Der Kreis schließt sich dann mit dem kurzen Outro, bei dem es wieder knistert und rauscht und die Nadel das Ende der Rille erreicht, die sich über das Vinyl zieht.

Gesangstechnisch haben sich Dante auf Winter noch mit Bine Heller (weiblicher Gesang sowie Backgroundgesang) und Isea Bervian (Chorgesang) verstärkt. Aufnahme, Mix und Mastering blieb aber Inhouse und wurde von Markus Maichel (Dante Audio Production, www.dante-audio-production.de) übernommen.


Unser Fazit

Nachdem Dream Theater gerade mit ihrem letzten Meisterwerk “A View From The Top Of The World” ein verhältnismäßig eingängiges Album erschaffen haben, drehen Dante mit “Winter” den Spieß um. Dabei driften sie aber nie so weit ab, dass ich es als “verfrickelt” bezeichnen würde. Der rote Faden läuft im Hintergrund immer mit und wird auch immer wieder aufgenommen. Ich wäre gern mal zeitweise bei den Aufnahmen dabei gewesen. Da hat man den Männern bestimmt ansehen können, wie viel Spaß sie trotz, oder gerade wegen, des technisch auf höchstem Niveau liegenden Materials für dieses Album bei den Aufnahmen hatten. Und genau diese Spielfreude hört man den Songs an. Eingängig ist anders, aber Dante waren auch schon immer anders. Und darum gibt’s von mir trotz des meiner Meinung nach marginal schwächeren Songs “Your God In Vain” auch die Höchstnote.

Unsere Wertung

10.0 von 10.0

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