Autor:
Lesedauer ca. 5 min.

Resonanzwerk Goes Rock: Cryptex und Birth Control am 09.12.2021 im Resonanzwerk, Oberhausen

Eventname:

Resonanzwerk Goes Rock: Cryptex und Birth Control im Resonanzwerk

Künstler:

Cryptex, Birth Control

Ort:

Resonanzwerk, Oberhausen

Datum:

09.12.2021

Genre:

Alternative Rock, Alternative Metal, Progressive Rock, Progressive Metal, Krautrock

Veranstalter:

KL Concerts + Promotion

Eigentlich sind die Bands, die heute Abend im Resonanzwerk Oberhausen auftreten, gar keine echten Kandidaten für SYLB. Vor allem natürlich Birth Control hat schon seit langem so etwas wie einen Kultstatus, das Gründungsdatum der Band liegt im Jahr 1966 (!!). Ich kenne zugegebenermaßen nur einen Song von Birth Control, nämlich Gamma Ray. Das Album, auf dem sich dieser Song findet, nämlich Hoodoo Man aus dem Jahr 1972, steht immer noch in der Vinylausgabe in meinem Plattenregal. Auch die Band Cryptex, die wie ich aus Niedersachsen kommt, hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2008 schon eine ordentliche Fanbase erarbeitet und will heute mit ihren Songs, die sich irgendwo zwischen Alternative, Indie und Progressive Rock/Metal bewegen, einen würdigen Einheizer für Birth Control geben.

Ich schreibe trotzdem diesen kleinen Bericht zur Show, weil es in diesem Jahr die letzte aus der Reihe Resonanzwerk Goes Rock ist. Ich war bei fast allen Shows (19 von 21) dabei, durfte Fotos für den Veranstalter KL Concerts + Promotion machen und dabei viele Künstlerinnen, Künstler und Bands aus den unterschiedlichsten Genres entdecken oder wieder mal live erleben. Beim Resonanzwerk Goes Rock gibt es immer einen bekannteren Headliner, der von einem oder zwei sogenannten “local supports” begleitet wird. So kriegt hier also auch die Undergroundszene ihre Chance, sich einem Publikum zu zeigen, das sie normalerweise gar nicht entdecken würde. Schwerpunktmäßig waren in diesem Jahr die Genres Blues Rock, Melodic Rock und Hard Rock vertreten, aber es gab auch “Ausreißer”, wie z. B. der großartige Auftritt der Thrash Metal-Ikone Destruction. Nächstes Jahr geht es hoffentlich unter erleichterten Vorgaben weiter. Heute ist das Resonanzwerk jedenfalls bestuhlt, und den Mund-Nase-Schutz darf man nur abnehmen, wenn man auf seinem Stuhl sitzt.

So warten wir also um kurz vor 20 Uhr darauf, dass die Jungs von Cryptex loslegen. Dann wird auch schon die “Pausenmusik” ausgeblendet und das klassische Intro schallt laut aus den Boxen. Nach und nach kommen die vier auf die Bühne, und Schlagzeuger Alex klemmt sich hinter sein kleines Drumset, das im linken vorderen Bühnenbereich aufgebaut ist. Auf dem großen Drumpodest ist bereits das Kit von Birth Control aufgebaut, dagegen nimmt sich das von Cryptex auf den ersten Blick wie ein Spielzeug aus. Als dann der Gesang einsetzt, bin ich im Fotograben erstmal verwundert, denn ich sehe zwar außer Alex noch Gitarrist André und Bassist David aber keinen Sänger. Der ist hinter dem Klavier, das am rechten Bühnenrand aufgebaut ist, verschwunden. So wie mir wird es den meisten Zuschauern gehen, die von ihren Sitzplätzen nur die Rückwand des Klaviers sehen, aber es gibt auch Songs, bei denen Simon nach vorn kommt. Da wird dann teilweise zu dritt so hart gemosht, dass die Kabel des Klaviers aus der Buchse am Verstärker gerissen werden und das Instrument zwischendrin auch mal kurz stumm bleibt. Das Problem kann aber schnell behoben werden, und so können Cryptex sich weiter durch die Songs ihrer Setliste hangeln. Wie Sänger/Pianist Simon erzählt, hatten Cryptex seit 27 (!!) Monaten keine Auftritte, und in dieser Konstellation spielt man heute nach einigen Umbauten im Bandgefüge zum ersten Mal live. Hätte er es nicht gesagt, ich hätte es nicht gemerkt. Nicht nur mich können die Jungs mit den 13 Songs der Setliste überzeugen, die natürlich auch vom neuen Album Good Morning, How Did You Live? stammen, und ich freue mich sehr, dass ich Cryptex nun endlich auch mal live erleben durfte.

In der folgenden Umbaupause legen die Männer von Birth Control selbst Hand an. Ich bin insbesondere beeindruckt von der Ruhe, die sich in jedem Handgriff zeigt und natürlich auf der Routine basiert, die die fünf Männer über die Jahrzehnte gesammelt haben. Das Wort “Routine” steht aber definitiv nicht im Widerspruch zu “Spielfreude”, das merkt man vom ersten Augenblick an, als zum Beispiel Sänger/Gitarrist Peter Föller ein kleines Glockenspiel bedient, um direkt danach zur Gitarre zu greifen. Klamottentechnisch würde ich ihn in die 70er Jahre einordnen, aber er ist natürlich genauso im Hier und Jetzt, wie der Rest der Band. Das beweisen die Männer mit ihrem wilden Ritt durch die Schaffensperioden von Birth Control. Dabei werden die Alben Hoodoo Man aus 1972 oder Plastic People aus 1975 ebenso bedacht, wie das neuste Werk Here And Now, das auch schon wieder fünf Jahre alt ist. Aber ein neues Album ist bereits fertig eingespielt und zur Veröffentlichung in der ersten Jahreshälfte 2022 geplant. Davon gibt’s heute mit I Don’t Care auch was zu hören, und das ist laut Gitarrist Martin “Ludi” Ettrich so etwas wie eine Weltpremiere. Im direkten Vergleich zu den älteren Tracks, wie eben die Titeltracks der beiden genannten Alben Plastic People oder Hoodoo Man, kommt I Don’t Care, zumindest für meine Ohren, sehr modern und vor allem sehr tanzbar daher. Dafür, dass ich hier schon mal meinem Bewegungsdrang fröne, ernte ich die ersten erstaunten Blicke.

Die Liste aller Bandmitglieder von Birth Control (Gründungsmitglieder, ehemalige und aktuelle) ist länger, als die heutige Setliste – wobei das nicht schwierig ist, denn Songs von Birth Control sind ja nicht selten in der Albumversion um die 10 Minuten lang, live können sie auch mal doppelt so lang sein. Da können dann nicht so viele Songs auf die Setliste gepackt werden. Und so, wie es wohl schon immer bei Shows von Birth Control passierte, darf sich auch heute jeder Instrumentalist mit einem mehr oder weniger langen Solo ganz besonders präsentieren. Als Schlagzeugfan geht mir natürlich beim Drumsolo, bei dem Manfred “Manni” von Bohr vom großartigen Lichttechniker des Resonanzwerks wunderbar in Szene gesetzt wird, das Herz auf, aber auch das Bass-Solo von Hannes Vesper ist definitiv hörenswert. Da sieht man dann auch mal live und in Farbe, was für Spielarten es gibt und vor allem, welche Vielfalt an Tönen man den dicken Saiten tatsächlich entlocken kann. Gitarrensoli gibt es ja im Grunde in jedem Song von Birth Control, und auch Sascha Kühn, der seine Finger über die Tasten der Keyboards fliegen lässt, kriegt sein Spotlight.

So verfliegt die Zeit, plötzlich kündigt Peter schon den letzten Song an. Ob wir denn irgendwelche Vorschläge hätten, fragt er uns. Ich stehe in dem Augenblick ganz hinten, muss aber gar nicht selbst antworten, denn aus den vorderen Reihen schallt es des Öfteren auf die Bühne: Gamma Ray natürlich! Und da ist auch schon das so bekannte Intro, bevor der Tanz beginnt. Da ich sehr unsportlich bin, muss ich nach ein paar Minuten wildem “Herumgezappele” ein paar Gänge runterfahren, denn unter dem Mund-Nase-Schutz fällt mir das Atmen dann sehr schwer. Aber das ist es mir wert. 😀 Auf dem Album Hoodoo Man ist der Track knapp 10 Minuten lang, daraus werden heute irgendwas um die 17/18 Minuten, dann ist die reguläre Setliste gespielt und die Männer stellen sich zum Abschied noch einmal auf. Eine Zugabe können wir ihnen noch entlocken, dann wird es aber still auf der Bühne, und Progressive-Klänge aus der Konserve beschallen leise das Resonanzwerk.

Das war also die letzte Show aus der Konzertreihe Resonanzwerk Goes Rock für dieses Jahr. Im Februar 2022 soll es weitergehen, und ich freue mich sehr darauf, dann nicht nur wieder tolle Künstlerinnen, Künstler und Bands auf der Bühne zu sehen, sondern auch auf das großartige Team des Resonanzwerk, egal ob es die Jungs von Licht und Ton sind oder die Jungs und Mädels, die immer gut gelaunt hinter der Theke stehen.

Diesen Beitrag teilen

Facebook
WhatsApp
Telegram
Email
Nach oben