Hier im Ruhrpott hat man ja so ziemlich jedes Wochenende ein großes Angebot an Shows aus allen Genres. Da fahre ich normalerweise so um die 10 – 20 km, manchmal auch an die 100 km, um zu “meiner” Show zu kommen. Heute haben Henning und ich aber ca. 500 km vor uns, denn Zora, der nicht nur unser IT-Crack bei SYLB sondern auch Sänger und Gitarrist bei Deadend Grace ist, hatte uns eingeladen, nach Aalen zu kommen. Die Strecke mit zwei Autos zu fahren, wäre Blödsinn. Also fahre ich erstmal zu Henning, dann geht’s mit seinem Auto weiter. Normalerweise fahre ich immer alle Strecken selbst und warne schon mal vor, dass ich eine ziemlich “schwierige” Beifahrerin sein kann. Aber die Hinfahrt verläuft problemlos. Unsere SYLB Spotify-Playliste läuft auf Endlosschleife, und wir entdecken immer wieder das eine oder andere Highlight.
Pünktlich in Maverick’s Irish Pub angekommen, laufen wir Zora direkt in die Arme und kriegen direkt nach der freudigen Begrüßung unsere VIP-Pässe überreicht. Die Bands sind natürlich alle schon vor Ort, aber bis zum Beginn der Show sind es noch einige Stunden hin. Angedacht ist laut Zora, gegen 21:30 Uhr anzufangen. Da sind bei uns im Ruhrpott die Shows schon halb durch! Aber hier in Württemberg ist man da wohl entspannter. 😀 So haben Henning und ich erstmal genug Zeit, uns in der Location umzuschauen, die Soundchecks mitzuerleben und auch mit den Jungs von Abgesang zu klönen. Die freuen sich natürlich, von mir zu hören, dass sie mir von Zora empfohlen wurden und ich mich sehr auf ihre Show freue. Dann geht’s erst noch zum gemeinsamen Essen, aber so gegen 21:45 Uhr legen die drei von Deadend Grace dann endlich los.
Zora hatte vorher noch erzählt, dass die Generalprobe problemlos abgelaufen so – böses Omen! –, aber da es für die drei schon allein wegen Schichtdiensten schwierig ist, überhaupt zusammen zu proben, waren sie ja froh, dass es wenigstens ein Mal vor dieser Show geklappt hatte. Tatsächlich wollen heute aber die Backingtracks erstmal nicht so, wie es sein sollte, da heißt es also nicht “Bang Your Head”, sondern “Keep Calm”. Dann hat Dom aber die Backingtracks wieder im Griff, und nach dem Intro / The Bachelor gibt’s mit The Enemy den ersten Track der sechs Songs umfassenden Playliste. Die Coverversion eines sehr bekannten Songs haben Deadend Grace auch dabei. Dafür haben sich die Jungs nicht, wie es andere Bands teilweise machen, einen Popsong ausgesucht, sondern Tears Don’t Fall von Bullet For My Valentine. Die haben nämlich, wie es Zora erzählt, einen großen Einfluss auf die Musik von Deadend Grace. Den mitsingtauglichen Chorus mal mit Growls zu hören, ist sicherlich nicht nur für mich ungewöhnlich. Mit Final Deadend können Deadend Grace auch mit einer Ballade aufwarten, aber die zweite Ballade, die Zora direkt danach ankündigt, entpuppt sich als genau das Gegenteil. So ist bei We Are All Heroes also wieder ordentlich Haare schütteln angesagt, bevor mit Story Of Light schon das Ende der Show erreicht ist.
Da Henning und ich ja schon frühzeitig in Maverick’s Irish Pub angekommen waren, hatten wir den Soundcheck von Farthest Outpost schon nebenbei mitbekommen. Aber das, was jetzt auf der Bühne passiert, hatte ich nicht ansatzweise erwartet. Die Musik des bereits im Jahr 2014 gegründeten Quintetts mit nur einem Wort zu beschreiben, geht nicht, und das “Alternative Metal” im Header geht tatsächlich nur grob in die Richtung, die Farthest Outpost einschlagen. Immer wieder spicken sie ihre Songs mit Elementen aus dem Jazz oder dem Blues, da ist dann nicht nur gepflegtes Headbanging angesagt, sondern auch durchaus mal eine gediegene Tanzeinlage. Zwei Jahre nach der Bandgründung erschien ihre selbstbetitelte Debüt-EP, die heute zumindest mit dem Track Theatre auf der Setliste vertreten ist. Die drei Tracks der 2017er EP Way To Die werden übersprungen, aber neben The Answer, Banality und Kepos gibt es heute noch weitere Songs vom 2019er Album The Moon Is Watching. Und auch mit den beiden letzten Singles Everything Shall Turn (2021) und Tomorrow’s Fate (2022) zeigen Farthest Outpost nicht nur ihre Kreativität und Experimentierfreude, sondern auch ihre Virtuosität. Ich bin ja ein großer Schlagzeugfan, aber während dieser Show wandern meine Blicke immer wieder zu dem, was die beiden Gitarristen Christoph (Leadgitarre/Backgroundgesang) und Jan (Rhythmusgitarre) zeigen. Die Grifffolgen, die sie da scheinbar mühelos absolvieren, dürften auch meinem persönlichen Guitar-Hero John Petrucci (Dream Theater) ein anerkennendes Kopfnicken entlocken. Darauf nach der Show angesprochen, zeigt sich Jan sehr bescheiden und erklärt, dass man einige Tracks ja schon seit über zehn Jahren spiele und die Griffe dann halt schon verinnerlicht habe. Ja nee, is’ klar (wie man hier im Ruhrpott sagt). 😀
Es ist mittlerweile irgendwas zwischen 23:00 und 0:00 Uhr, als sich die vier von Abgesang bereitmachen. Auch diese Nürnberger Band gibt es bereits seit dem Jahr 2014. Von ihren bisherigen Veröffentlichungen, der EP Lichtwärts aus 2017 und der Split mit Caves aus 2019 schafft es allerdings nur der Song Procession von der Split auf die Setliste. Das freut mich insofern, als es beweist, dass das Quartett die letzten beiden Jahre genutzt hat, neue Songs zu schreiben. Die sind, wie bei Abgesang üblich, irgendwas zwischen acht und zwölf Minuten lang, und werden streckenweise von einem wahren Stroboskopgewitter eindrucksvoll in Szene gesetzt. Ansagen gibt’s von den in rotes Licht getauchten Abgesang nicht, J.O. (Gesang und Bassgitarre), Paul (Gitarre), Felix (Gitarre) und Nick (Schlagzeug) widmen sich ausschließlich der Musik und ihren Instrumenten. Das steht dann im Gegensatz zu den sehr umgänglichen und kommunikativen Menschen, die ich vor der Show kennenlernen durfte, ist aber für mich als Black Metal-Fan auch nichts Ungewöhnliches. So genieße ich diese Show und hoffe, dass die neuen Songs bald auf einem Album landen, damit ich mir das dann auch zulegen kann. Und sollten Abgesang mal hier in der Gegend eine Show spielen, wäre Außerwelt sicherlich eine gute Wahl zur Ergänzung des Line-Up. Ich musste während der Show von Abgesang tatsächlich sehr oft an die Münsteraner Band denken, und auch die Songs von Abgesang erinnern mich oft eher an Post Black Metal denn an Black Metal. Wie auch immer freue ich mich sehr, gerade eine großartige Band entdeckt zu haben und sie schon live erleben zu dürfen.
Schon während des Abbaus und des Einladens ihres Equipments zeigen sich Paul, Felix und Nick wieder sehr entspannt, da bleibt in dem Hin und Her auch noch Zeit für kurze Wortwechsel. Und auch die Jungs von Farthest Outpost, und natürlich auch von Deadend Grace, sind noch vor Ort. Da dauert die Abschiedsrunde von Henning und mir dann etwas länger. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir heute noch die 500km zurück nach Hause vor uns haben, verlassen wir das sehr gemütliche Maverick’s Irish Pub und machen uns so langsam auf den Weg ins Hotel. Die schwäbische Gastfreundschaft haben wir auf jeden Fall sehr genossen, danke dafür! 🙂
Die kompletten Fotostrecken gibt’s wie immer auf https://heike-leppkes-konzertfotos.de
Eventname:
Maverick's Metal Manifest
Künstler:
Deadend Grace, Farthest Outpost, Abgesang
Ort:
Maverick's Irish Pub, Aalen
Datum:
25.06.2022
Genre:
Metalcore, Alternative Metal, Black Metal
Veranstalter: