Interviewer:
Lesedauer ca. 14 min.

Interview mit Versus Goliath

Interview-Fragen

Künstler:

Versus Goliath

Genre:

Industrial, Metal

Links des Künstlers
Bandmitglieder

Flo (Vocals)
Andy (Guitar, Electronics)
Jonas (Drums)

Aus München meldet sich Flo von Versus Goliath zu Wort. Wir sprachen über die Szene in München, wie Versus Goliath entstanden ist und wo es hingehen soll.

Aus München meldet sich Flo von Versus Goliath zu Wort. Wir sprachen über die Szene in München, wie Versus Goliath entstanden ist und wo es hingehen soll.

SYLB / Andy: Hi Flo, bevor es losgeht: Zuerst einmal, Danke für die Zeit. Schön, dass es geklappt hat.

Versus Goliath / Flo: Aber gerne doch, freu mich auf das Interview!

SYLB / Andy: Sehr gut, ich hab auch ein paar Fragen für dich im Gepäck. Fangen wir aber vorne an: VERSUS GOLIATH. Wie seid ihr zu dem Namen gekommen und wofür steht er?

Versus Goliath / Flo: Der Name ist tatsächlich nach längerem Brainstorming entstanden. Zu Beginn standen einige Demos, eine grobe Richtung, in die es gehen sollte und welche Themen wir transportieren wollen. Einen direkten Namen hatten wir aber noch nicht zur Musik, wir haben also überlegt und auch Input von Außen einbezogen. Aus diesem Prozess hat sich dann der Name Versus Goliath immer mehr heraus kristallisiert. Ein großes Thema war und ist das Dagegensein, eine Antihaltung. Aber auch der Kampf gegen etwas Übermächtiges, gegen einen sprichwörtlichen Goliath. Sei es auf gesellschaftliche Aspekte oder Politik bezogen. Jeder hat so etwas wie seinen eigenen Goliath, gegen den angekämpft wird. Von unten nach oben, schwach gegen stark, ein Zurückschlagen. Dazu passte dann auch das Bild des schwachen Davids, der den übermächtigen Goliath besiegt. Es gibt einfach nicht eine Story zu unserem Namen sondern viele Möglichkeiten, wie man den Namen deuten kann.

SYLB / Andy: Du hast ein Thema direkt angesprochen, das auch auf meinem Zettel steht, die Bibel. Ihr seid alle drei in Bayern aufgewachsen, wohnt auch mittlerweile alle in München. Hat der christliche Glaube, der ja in Bayern durchaus aktiv praktiziert wird und sehr präsent ist, auch Einfluss auf eure Arbeit als Band, auf deine Texte?

Versus Goliath / Flo: Richtig, aufgewachsen sind wir alle in Bayern, Jonas (Drums, Anm. d. Red.) und ich leben eigentlich schon immer in München und Andy (Guitar/Electronics, Anm. d. Red.) kommt aus Penzberg, 50 km von München entfernt. Dass Religion bzw. der christlichen Glaube einen direkten Bezug zu uns als Band oder den Texten bzw. der Musik hat, würde ich aber nicht sagen. Ich für meinen Teil bin christlich, katholisch aufgewachsen, würde mich jetzt aber nicht direkt als praktizierenden Christen bezeichnen. Ein Ungläubiger oder Atheist bin ich aber auch nicht. Die Bibel selbst hatte möglicherweise lediglich durch ihre Geschichten einen Einfluss, aber wir sind keine christliche Band oder predigen. Die Thematik um David und Goliath, schwach gegen stark, ist aber schon irgendwie hängen geblieben. Ich hab mich sehr viel mit unterschiedlichsten Religionen und Glaubensrichtungen beschäftigt, habe mich eingelesen, um Zusammenhänge besser zu verstehen. Dabei auch hinterfragt, wieso diese religiösen Texte geschrieben wurden, wieso und welche Regeln aus welchen Gründen aufgestellt wurden. Wenn man alleine in der Vergangenheit wühlt und begreift, wieviel Einfluss Glaube und Religionen damals auch auf Politik und Rechtsprechung hatten, dann ist das schon ziemlich, hm, beängstigend. Wieviel Leid und Unrecht im Namen des Glaubens – egal welcher Religion – verübt wurde, ist in diesem Kontext auch etwas, das man nicht vergessen sollte. Menschen haben im Namen ihres Gottes furchtbare Dinge getan, dachten, dass sie anhand ihrer Lehren und Auslegungen das Richtige tun, aber mitunter Kriege anzettelten und Chaos verbreitet haben. Was in religiösen Texten, wie unter anderem der Bibel, durchaus eine Inspiration beim Schreiben meiner Texte sein kann, sind die verwendeten Metaphern und Anspielungen, um Themen oder Situationen zu umschreiben, ohne etwas direkt und platt auszusprechen. Das Spielen mit Wörtern.

SYLB / Andy: Daraus schließe ich jetzt mal, dass du die Texte allein schreibst, korrekt? Oder arbeitet ihr Texte gemeinsam aus bzw. diskutiert ihr die Texte in der Band?

Versus Goliath / Flo: Man kann sagen, dass die Texte in meiner Obhut sind, ja. Versus Goliath hat sozusagen als mein Baby angefangen. Wir, also Andy und ich, kommen aus der Songwriter-Branche und haben früher schon viel an Musik und Songs für andere Künstler gearbeitet. An einem gewissen Tiefpunkt in meiner musikalischen Entwicklung hab ich mich in unserem Studio eingeschlossen und die ersten Demos selbst zusammengezimmert, hab meine Ideen umgesetzt und daraus etwas geschaffen, in dem ich mich wiedergefunden habe. Es war sehr düster, direkt und kühl. Die Demos haben mich beschäftigt und nicht mehr losgelassen, also habe ich mir extern Unterstützung geholt, die Demos Freunden gezeigt und das Feedback aufgesogen. Aus Teilen dieser Demos ist dann unsere erste EP entstanden, die Band hat sich geformt und nun sind wir drei zusammen und sind Versus Goliath. Die Texte im Allgemeinen stammen aus meiner Feder, ich habe aber auch schon Texte mit Songwritern aus unserem näheren Umfeld geschrieben. Feedback zu den Texten hole ich mir natürlich auch von der Band ab. Ich bin da aber sehr selbstkritisch, bevor ich etwas zeige bzw. etwas fertig wird, daher haben wir da im Regelfall wenig Diskussionen.

SYLB / Andy: Interessant, klingt jedenfalls eher nicht nach gezielter Planung einer Bandgründung sondern eher nach einer Idee, die raus in die Welt wollte.

Versus Goliath / Flo: Ja, so ungefähr!

SYLB / Andy: Wenn die Texte bei dir liegen und du sozusagen den Grundstein mit deinen Demos gelegt hast, wie arbeitet ihr heute als Trio zusammen? Schreibt ihr die Songs zusammen, gibt es einen Hauptsongwriter?

Versus Goliath / Flo: Auch beim Thema Songwriting ist mir gerade Andys Meinung sehr, sehr wichtig. Wir arbeiten ja schon lange zusammen, schon vor Versus Goliath. Die aktuelle Musik stammt eigentlich zu 99,9% aus Andys Feder. Wenn wir mit Songs oder Ideen beginnen, fangen wir entweder komplett bei Null an oder es gibt vielleicht auch schon ein Thema, eine Melodie. An Ideen mangelt es jedenfalls nie, hehe. Wir jammen auch nicht wirklich als Band zusammen sondern arbeiten das im Studio gemeinsam aus.

SYLB / Andy: Ok. Was euch meiner Meinung nach musikalisch auch deutlich und direkt von anderen Bands abgrenzt, sind die deutschen Texte und der Hip Hop Anteil an den Vocals. War das eine bewusste Entscheidung, oder ist es für dich einfach natürlicher in deiner Muttersprache zu schreiben und zu performen?

Versus Goliath / Flo: Das war von Anfang an eine bewusste Entscheidung. Ich habe in meiner gesamten musikalischen Laufbahn eigentlich mit Deutsch als Handwerkszeug gearbeitet. Es gab natürlich auch mal Ausnahmen in der Arbeit als Songwriter für andere Künstler, dass Texte oder Ideen auf Englisch formuliert wurden, aber das waren wirklich sehr wenige. Ich hab meinen Background ja auch im Hip Hop Bereich, das ist die Musik, mit der ich aufgewachsen bin, und da ist es einfach irgendwie „real“, wenn man in seiner Muttersprache schreibt. Ich würde auch sagen, dass ich darin ganz gut bin. Mir geht es beim Deutsch vor allem auch um die Härte der Wörter, um die Phonetik. Im Englischen hast du es oft, dass Worte weicher, angenehmer klingen. Das sogar schnulzige Sachen irgendwie cool klingen. Deutsch ist da einfach die, nun ja, härtere und ehrlichere Sprache. Vielleicht kann man das besser erklären, wenn du dir versuchst vorzustellen, dass ich mich natürlich auch an englischsprachiger Musik orientiere aber die – für mich – vorhandenen Vorteile der deutschen Sprache nutze: Klare Worte, prägnante Aussagen zu finden und direkt auf den Punkt zu kommen, ohne Schnörkel oder Weichmacher. Deutsch passt in meinem Verständnis auch sehr gut zu harter Musik, wie eben auch Rap. Es kommt auf den Punkt, die Aussage ist klar. Mal als Beispiel: Heutige deutschsprachige Popsongs sind meiner Meinung nach gespickt mit Anglizismen, das macht es weicher und da ist eher viel drum herum, wenig auf den Punkt.

SYLB / Andy: Danke dir für die ausführliche Erklärung – so leuchtet das direkt ein. Erzähl bitte nochmal kurz, wie ihr drei euch gefunden habt und wie daraus dann nach deinen Demos Versus Goliath entstanden ist.

Versus Goliath / Flo: Wie ich ja schon erwähnt habe, haben Andy und ich schon vorher zusammen im Studio als Songwriter gemeinsam gearbeitet. Das Studio existiert schon eine ganze Weile und irgendwann kam Andy mit zum Team dazu. Er hatte damals bei „Sing Meinen Song“ im Fernsehen mitgewirkt und ich wollte unbedingt mal mit ihm arbeiten. Daraus wurde dann unsere seitdem andauernde Freundschaft und musikalische Partnerschaft. Wir haben damals viel für andere Künstler geschrieben und waren immer sehr offen für verschiedene Musiker und Kooperationen. Irgendwann hatte ich ihm dann meine Demos gezeigt. Das war noch bevor der Name entstand und alles sehr nach düsteren Depeche Mode klang. Er fands geil, wir haben daran gearbeitet und dadurch wurde es deutlich härter und kantiger. Jonas kannte ich bereits durch eine andere Band, in der wir zusammen aktiv waren. Wir sind uns immer mal wieder über den Weg gelaufen, und als sich Versus Goliath entwickelte und klar wurde, dass wir auf jeden Fall auch live spielen wollen, kam Jonas dazu. Er und Andy kannten sich vorher nicht, aber die Chemie zwischen uns Dreien hat direkt gepasst und wir harmonieren sehr gut zusammen. Da ist nur das Notwendigste an Kommunikation nötig, wir verstehen uns beinahe blind und wissen direkt genau, was wir wollen und wohin es gehen soll – absolut ohne Stress und fast automatisch. Ich bin jedenfalls einfach wahnsinnig glücklich, wie das mit uns zusammen funktioniert.

SYLB / Andy: Klingt auch einfach nach gesucht und gefunden!

Versus Goliath / Flo: Auf jeden Fall! Wären andere Mitglieder beteiligt, wäre unser Sound auch definitiv nicht so, wie er jetzt ist. Die ersten Demos waren schon irgendwo sehr poppig, aber mittlerweile verstehen wir direkt einfach, wo es hingehen soll, wo es hingehen kann. Wir haben das gleiche Mindset, und wenn man bedenkt, dass die ersten Züge für Versus Goliath erst Ende 2019 Gestalt angenommen haben, sind wir einfach sehr schnell auch dahin gekommen, wo wir heute sind. Es gibt wenig Diskussion wenn wir arbeiten, weil wir uns direkt die passenden Ideen zuspielen und zügig auf einer Welle schwimmen.

SYLB / Andy: Neben dieser perfekten Harmonie für die Band und die Songs, was macht ihr denn neben der Band. Bei dir und Andy ist das Songwriting und die Arbeit mit und für andere Künstler. Was beschäftigt euch noch beruflich?

Versus Goliath / Flo: Das Songwriting ist tatsächlich ein großer Teil, aber nur ein Teil. Ich habe neben dem Studio und dem Publishing noch mit dem Betrieb eines Kinos in München alle Hände voll zu tun. Daneben arbeite ich mit Andy gerade noch an einem weiteren Projekt mit dem Fokus auf Instrumental- und Filmmusik, was teilweise schon in Richtung Score oder Soundtrack geht. Wir nennen das Cyber-Metal-Richtung Bladerunner oder Shadowrun. Dystopisch, kalt und verzerrt. Durch die Arbeit in der Filmbranche bin ich irgendwie auch ein sehr visueller Typ. Wenn wir arbeiten, habe ich meistens auch direkt Bilder oder Szenen und Videoideen im Kopf – so wie andere Musiker zum Beispiel Farben mit Melodien verbinden, sind es bei mir direkt passende Settings und Szenenbilder, die mich beim Songwriting auch wieder sehr inspirieren. Andy ist als Multiinstrumentalist abseits des Publishings noch als Musiklehrer aktiv und hat noch ein eigenes Soloprojekt sowie eine gemeinsame Band mit seinem Vater. Dazu noch einen richtig erfolgreichen YouTube Channel, auf dem er orchestrale Arrangements und Remixe, zum Beispiel von Games wie Minecraft oder ähnlichem veröffentlicht. Jonas ist ebenfalls noch in anderen musikalischen Projekten aktiv, hat sein Studium gerade erfolgreich abgeschlossen und ist jetzt für das SAE Institute tätig.

SYLB / Andy: Schwer beschäftigt, alle drei. Wenn man sich mit euch beschäftigt und mal Google bemüht und Interviews oder Reviews liest, fällt immer mal wieder der Begriff Neue Deutsche Härte. Ich persönlich verbinde damit eigentlich eher Bands wie Rammstein oder Eisbrecher. In meinem Kopf paart sich da sozusagen „tanzbare“, simpel strukturierte Musik mit Marschrhythmen und Deutschen Texten sowie dem Kokettieren mit Propaganda-Mitteln und Stilistiken der Vergangenheit. Würdest du euch als NDH sehen bzw. was bedeutet der Begriff für dich?

Versus Goliath / Flo: Wie es nunmal so ist, gibt es immer Menschen, die gerade Musik in Schubladen stecken müssen. Ja, es gibt natürlich harte, deutschsprachige Musik und da fallen meistens als erstes Namen wie Rammstein und Eisbrecher. Wenn etwas als deutsche Musik bezeichnet wird, denkt man meistens ja eher an Schlager, Volksmusik, Rap oder irgendwas wie Radiopop. Wenn mir jetzt jemand ne deutsche Band in Richtung Industrial oder Metal empfiehlt, denke ich meistens daran, dass es ne Band aus Deutschland ist, aber zu 99% rechne ich dann mit englischen Lyrics. Der Begriff impliziert für mich in erster Linie Musik, die irgendwas Deutsches an sich hat. Neue Deutsche Härte ist aber irgendwie ja auch kein wirklich origineller oder neuer Begriff, der Bezug zur Neuen Deutschen Welle in den 80ern ist ja unbestreitbar. Das, was ich als einzige Gemeinsamkeit verbinde, ist unsere Musik, die hart ist und deutsche Texte hat. Ich würde aber diese Schublade nicht für uns nehmen, das ist kein Vergleich in meinen Augen. Und dieses Kokettieren mit Militaria oder solchen Dingen, da ist natürlich auch was dran. Aber, damit haben wir absolut nichts am Hut und sehen uns eher als deutsche, harte Band, die Metal spielt mit deutschen Texten und vielschichtiger Musik sowie Hip Hop und Rap Vibes.

SYLB / Andy: Das passt denke ich auch deutlich besser zu euch. Lass uns doch was über die Band und das Organisatorische und das Drumherum sprechen. Ihr habt Verbindungen zu Universal, nutzt vertriebliche Möglichkeiten von Sony. Trotzdem ist sehr viel noch DIY und ihr seid, so wie ich es verstehe, definitiv noch im Underground zu verorten. Was magst du uns dazu erzählen.

Versus Goliath / Flo: Auf jeden Fall hast du recherchiert, hehe. Wir sind durch unsere Arbeit im Studio und Publishing gut vernetzt und haben zum Beispiel für Versus Goliath die Möglichkeit, die Vertriebsstrukturen von Sony Music zu nutzen. Wir haben mit wirwirwir unser eigenes Label gegründet und können somit auch sehr autark über unsere Musik, die Songauswahl und Releaseplanung entscheiden. Natürlich nehmen wir aber jeden Tipp und auch das Feedback von Sony Music gerne mit und versuchen, für uns und alle beteiligten Kooperationspartner das Beste aus unserer Musik herauszuholen. Wir haben jetzt aber auch nicht die Budgets wie große, etablierte Bands – daher würde ich uns auf jeden Fall noch als Newcomer- und Undergroundband sehen. Gemeinsam mit Sony Music und Universal Music Publishing konnten wir aber bereits einiges erreichen, und wir freuen uns, den weiteren Weg gemeinsam gehen zu können.

SYLB / Andy: Was sicherlich auch mit der pandemiebedingten Lage zu tun hat: Keine Auftrittsmöglichkeiten, eher weniger Releases und wenig Output für eine neue Band. Wie habt ihr die letzten Monate und das letzte Jahr erlebt und zugebracht?

Versus Goliath / Flo: Corona hat uns irgendwie in einem luftleeren Raum gehalten. Ende 2019, da war Corona noch nicht auf der Agenda, kam unsere erste Single. Anfang 2020 haben wir unsere erste EP rausgehauen. Wir hatten EP Nummer zwei während des Lockdowns veröffentlicht, dazu kamen einige Reviews, aber wirklich messen, wie die Scheibe bei Leuten ankommt, konnten wir natürlich nicht. Klicks und Likes sind ja nur eine Seite der Medaille. Wir haben – wie wahrscheinlich niemand – auch einfach nicht damit gerechnet, dass dieser Lockdown und der ganze Stillstand so lange Zeit bestehen würde. Wir wollten die EP raushauen, uns vorbereiten und dann einfach nach dem ganzen Corona-Mist Gas geben. Aber uns ging es da ja nicht anders als anderen. Wir haben aber natürlich auch andere Bands und Labels beobachtet, und was da dann teilweise an Geld investiert wurde für Promo oder Releases, da schlackert man mitunter mit den Ohren. Das war für uns nicht in der Größenordnung möglich, aber wir haben natürlich an Songs und an Visualisierungen gearbeitet. Wir haben Releases gehabt, Videos gemacht und weiter an Songs geschrieben.

SYLB / Andy: Ihr hattet aber ja auch die Release Shows aufbereitet, und man kann sich da ein Bild von eurer zu erwartenden Live-Show machen. Verfolgt ihr das ganze Thema mit den Livestreams weiter?

Versus Goliath / Flo: Stimmt, die haben wir sogar sehr aufwendig produziert, da steckt viel Herzblut drin und das war für uns auch wichtig, das zu zeigen. Aber ausschließlich Streaming-Shows wäre auch nichts für uns. Mir persönlich fehlt für das richtige Live-Gefühl einfach das Publikum und deren Reaktionen. Im Zuge dessen direkt noch etwas, das auch während Corona positiv war: Wir hatten unser erstes richtiges Konzert im Münchener Backstage im Juni, das war einfach großartig. Trotz der Beschränkungen und des sitzenden Publikums war die Resonanz einfach unglaublich gut, und das hat vor allem für mich einfach nur sehr viel bedeutet. Lieber 80-100 Leute, die sitzen und trotzdem eine super Stimmung kreieren, als ein toter Livestream ohne direktes Feedback. Dann waren wir vor Kurzem ja auch beim Dislike Festival bei euch in Bonn. Das war auch großartig, trotz Hybridveranstaltung mit Livestream war die Stimmung vor Ort unglaublich gut. Und alle Leute waren super freundlich, kommunikativ und wir haben uns sehr willkommen gefühlt. Das war für uns schon irgendwie besonders. Festivals sind auch einfach das, wo ich selbst Versus Goliath sehe, hoffentlich spätestens im kommenden Jahr. Wir haben zu den Live Shows zum Release und der EP schon gutes Feedback bekommen, aber gerade im Backstage gab es viele Stimmen, die sagten, dass die Musik im Live-Kontext mit Publikum nochmal ne Schippe besser wirkt.

SYLB / Andy: Das ist doch dann perfekt. Wo du es gerade angesprochen hast, wie ist es denn um die Musikszene in München bestellt? Für uns aus dem Rheinland ist München immer irgendwie sehr „besonders“, vielleicht sogar überheblich. Ich persönlich verbinde mit München Kir Royal und Schickeria.

Versus Goliath / Flo: Da werde ich auch nicht direkt widersprechen, man kann es aber nicht verallgemeinern. Wenn ich jetzt Bonn und München vergleichen würde, das war schon ein herber Unterschied. Wir sind freundlich empfangen geworden, konnten mit jedem reden, und irgendwie war da direkt ein Wir, ein gemeinsames Ziel und der Abend sollte einfach nur gut werden. In München selbst, gerade in der Musikszene und in unserem Umfeld, gibt es viel Abstand halten, da will man eher seine Ruhe haben und für sich sein. Unter Bands gibt es da auch so eine Art Futterneid. Erfolg wird nicht gegönnt und geteilt wird auch nicht wirklich, und das nervt mich persönlich extrem. Vielleicht liegt das aber auch an der Kulturszene und -förderung von offiziellen Stellen her. Die gibt es nämlich meiner Meinung nach für Bands, für Rock/Metal und für Clubs und Locations nicht mehr. Das Backstage ist da ne absolute Ausnahmen, ein richtiger Treffpunkt – da wird viel gemacht, da passiert viel und man arbeitet zusammen. Corona tat natürlich sein Übriges dazu, weil viel in Social Media ausgelagert wurde, wenn es um Interaktion zwischen Bands und Fans ging. Unabhängig davon gibt es natürlich eine Menge Talent und Umtriebigkeit, aber es ist irgendwie immer ein „Wer hängt mit wem“ und „Woher kommt wer“ – man bleibt unter seinesgleichen.

SYLB / Andy: Schade, das bestätigt ja irgendwie meinen Eindruck. Aber das war ja auch nicht immer so.

Versus Goliath / Flo: Nein, absolut nicht. Aber die Zeiten sind irgendwie definitiv ziemlich lang her. Sony ist ja zum Beispiel auch aus München abgewandert mittlerweile. In den 70ern/80ern war München ein richtiger Hotspot, da waren alle großen Namen hier. Die Kultur, die heute gefördert wird, bewegt sich eher im Bereich Theater, Oper oder klassischer Musik. Es passiert einfach für Newcomer und den Underground viel zu wenig. Nichtsdestotrotz, wenn mal etwas geht und man kommt zusammen und plant und macht etwas zusammen, dann ist das Eis gebrochen und man tauscht sich aus. Dafür muss aber erstmal eine Basis geschaffen werden.

SYLB / Andy: Also geht es doch, gut zu wissen. Ein weiteres Thema ist der visuelle Aspekt. Schaut man in eure Social Media Präsenz, Videos und Grafiken zieht sich ein schwarz/weiss/grauer Faden mit roten Akzenten durch alle Veröffentlichungen, der meiner Meinung nach gut zur Band, zu den Themen und allem passt. Wie wichtig ist gerade dir als Cineast das Visuelle? Habt ihr dafür auch Unterstützung oder legt ihr auch da selbst Hand an?

Versus Goliath / Flo: Zu Beginn haben wir da mit dem Team von Runaway zusammengearbeitet, was die Bewegtbilder angeht, ne Berliner Filmcrew. Mit denen haben wir die ersten Sachen gemacht und den Grundstein gelegt. Seitdem passiert sehr viel in Eigenregie, Andy hat da in seinem Dunstkreis auch viele Leute mit Erfahrung und Equipment und ist selbst auch ziemlich fit in dem Thema. Ich bringe mich da dann auch, was die Nachbearbeitung und das Cutten angeht, sehr viel mit ein. Ist alles immer Fluch und Segen zugleich. Natürlich hat man auch immer gerne Ideen von anderen, einen anderen Blickwinkel oder eine andere Vision zur Auswahl, ist aber tatsächlich auch immer eine Frage des Budgets, das zur Verfügung steht. Hinsichtlich Cover und Grafiken machen wir eigentlich alles selbst, und wie du schon erkannt hast, ist das Spielen mit Schwarz und Weiss und etwas Grau schon etwas wie der rote Faden, es passt einfach. Ist übrigens auch nicht auszuschließen, dass kommende Veröffentlichungen andere Farben anstatt Rot aufgreifen. Wir werden sehen. Zur Zeit sind wir aber auch im Bereich Social Media etwas zurückhaltender. Lieber weniger aber dafür gute Qualität statt ein Überangebot, das nicht unserem Qualitätsanspruch zu 100 Prozent entspricht. Weniger ist manchmal eben mehr.

SYLB / Andy: Auf jeden Fall. Eine Frage, die man ggf. auch falsch verstehen kann, aber: Würdest du sagen, dass ihr eure Musik wie am Reißbrett konzipiert, ein gewisses Schema aufgreift, um etwas kommerziell Erfolgreiches zu schaffen? Konstruiert ihr eure Songs? Es wirkt alles sehr strukturiert und durchdacht, deshalb kam ich auf diese Frage.

Versus Goliath / Flo: Ich weiß, wie du das meinst, aber da kann ich dir direkt widersprechen und Entwarnung geben. Zur Erläuterung: Die ersten Songs sind tatsächlich entstanden, als ich allein im Studio war. Da war ne Menge Verzweiflung dabei. Ich hab mich damals tatsächlich gefragt ob ich noch irgendwie eigene Musik machen sollte, ob ich das für mich kann und meine Ideen umgesetzt bekomme oder nur noch für andere arbeiten werde. Da gab es kein Kalkül, das war die Stimmung, die die Songs geformt hat. Als ich durch war, war ich irgendwie unsicher, ob ich das jemandem zeigen soll, habe es aber dann schließlich doch mit Freunden und anderen Ohren geteilt und das Feedback gab mir Mut, damit weiterzumachen.

SYLB / Andy: Ich kann dir jedenfalls sagen: Gut, dass du die nicht geheim gehalten hast oder sozusagen kommerzialisiert hast!

Versus Goliath / Flo: Danke, hehe. Ich kann dir aber auch sagen, dass wenn ich an einem Song sitze und arbeite, sei es mit Andy oder alleine, dann ist das Ergebnis auch erst dann gut bzw. fertig, wenn ich den Song selbst hören will. Will ich ihn nicht hören, funktioniert der Song nicht, dann fliegt er wieder raus. Wir arbeiten aber selbstverständlich auch konzeptionell, sprich: Gibt es ein Thema, das vertont werden soll, dann haben wir eine Grundrichtung und ein Thema und bauen drauf los. Wenn der dann knallt und nicht mehr aufhört, dann sind wir auf der richtigen Spur.

SYLB / Andy: Und aktuell schreibt ihr an neuen Songs für die nächste EP? Oder fokussiert ihr euch eher auf Singles?

Versus Goliath / Flo: Tatsächlich sowohl als auch. Das nächste Ziel ist eigentlich schon ein richtiges Album, vielleicht sogar mit einem Konzept, aber wir sind noch zu früh in dem Prozess, zu weit am Anfang. Es gibt Ideen für Kooperationen, es gibt erste Songideen, aber spruchreif ist noch nichts. Sicherlich wird es dann auch dazu Visualisierungen geben, Singles dazu, aber ein richtiges Full Length mit neuen Songs, das ist das, wo wir hin wollen. Und dann am besten damit direkt auf die Bühnen. Heutzutage kommt man meiner Meinung, gerade in der aktuellen Zeit, ohne digitale Releases nicht mehr vom Fleck. Wie willst du dich sonst präsentieren? Wenn neue Songs da sind, will ich auch, dass die Leute die hören und im besten Fall Reaktionen mit uns teilen. Man beschäftigt sich dann auch mit Spotify, mit Algorithmen und was zündet wie, aber wir werden niemals etwas konstruieren, um nur auf Erfolg abzuzielen. Ich will mein Herz ausschütten, eine Message da lassen. Klar kann es sein, dass ein Song zum Beispiel mit einem ausladenden Intro, das live funktioniert, online dann in gekürzter Fassung zu hören ist, aber nicht aus kommerziellen Gründen. Und ich will die Leute bei Konzerten haben, interagieren und Reaktionen aufsaugen. Radio Airplay oder Geld verdienen mit den eigenen Songs war nie der ausschließliche Antrieb. Zusammenarbeiten, Visionen verwirklichen, das ist das, was uns antreibt.

SYLB / Andy: Genau damit sollten wir schließen. Flo, danke für deine Zeit. Ich hoffe, beim nächsten Gig schaff ich es dann auch zu euch, wenn es in Reichweite ist. Wenn du noch was loswerden willst, die letzten Sätze gehören dir!

Versus Goliath / Flo: Ich danke dir für das Interview. Und sonst gibt es nicht viel zu sagen außer: Danke an alle da draußen, an alle die klicken und supporten und Merch kaufen. Ich bin dankbar, wenn es jetzt für uns alle wieder bergauf geht. Passt auf euch auf!

SYLB / Andy: Das machen wir!

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